Druckansicht der Internetadresse:

Kulturwissenschaftliche Fakultät

Facheinheit Sozial- und Kulturanthropologie

Seite drucken

Familienstrukturen im Umbruch

 

 

Förderung: DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB/FK 560

Laufzeit: 2004-2007

Projektleitung: Prof. Dr. Erdmute Alber

Mitarbeiter*innen: Astrid Bochow, Adam Kora, Moussa Lafia

Kurzbeschreibung:

Afrikanische Familienstrukturen befinden sich im Wandel. Es ändern sich typische Lebensläufe, Ehe- und Heiratsformen, Kindheiten und die Beziehungen zwischen den Generationen. Die Arbeitshypothese des vorliegenden Teilprojekts lautete, dass sich die derzeitig in Afrika zu beobachtenden Veränderungen, so disparat und vielfältig sie lokal auch verlaufen mögen, in einem ähneln: überall setzen sich die lokalen Gesellschaften mit einem global verbreiteten Modell, einer Vorstellung von der „westlichen Kernfamilie“ mit ihrem spezifischen Liebes- und Heiratskonzept, einer verlängerten Kindheit und einem relativ distanzierten Verhältnis zur Generation der Alten auseinander.

Teile dieses global verbreiteten Modells, das wir nicht als in Europa gelebte Praxis betrachten sondern als vorgestelltes Bild, wurden durch staatliche Politik, Schulen und Kirchen bereits während der Kolonialzeit vermittelt. Für die flächendeckende Verbreitung sorgten jedoch erst die modernen Massenmedien. Und schließlich hat die kommunikative und personelle Verflechtung zwischen den Kontinenten durch Migrationsprozesse zusätzlich für eine Verstärkung der Verbindungen und damit auch der Kenntnisse von den westlichen Lebensformen geführt.

Ziel des Projekts war, im Rahmen der allgemeinen Fragestellungen des SFBs zu erforschen, wie sich Lokalgesellschaften mit diesem Familienmodell auseinandersetzen, ob und inwiefern die Rezeption an der Veränderung lokaler Familienstrukturen beteiligt ist, ob, und wenn ja, welche Versatzstücke des Modells in lokale Familienstrukturen eingefügt werden, und in welcher Weise sich die unterschiedlichen Elemente miteinander verbinden.

Eine Studie in Endwa, einer ländlichen Stadt, und Kumasi in Ghana untersuchte „Intimität und Sexualität vor der Ehe“ insbesondere im Umfeld von zwei pentekostalen Kirchen. Dabei lassen sich insofern Parallelen zu den Modellen zur Herausbildung westlicher moderner Familie herstellen, als dass sich auch in Ghana seit Ende des 20. Jahrhunderts ein (zunächst) kleine Schicht von Bildungsbürgern im Umfeld der Missionen herausbildete. Das von ihnen teils vorgelebte, teils lediglich nach außen repräsentierte Modell der monogamen Kernfamilie erfuhr im Zuge des aufsteigenden Pentekostalismus eine Popularisierung, so dass diese Eheform als Lebensstil einer Elite heute vielen jungen Leuten als erstrebenswert erscheint. Dies ist jedoch nicht die einzige Entwicklung, die sich im Kontext von Kumasi durch pentekostalen Einfluss aus der Perspektive einer gegenwartsbezogenen historisch informierten Forschung beobachten lässt. In ihrem Versuch, eine klare Trennung zwischen Ehen und nicht-ehelichen oder vorehelichen Verbindungen einzuführen (die außerkirchlich kaum zu beobachten ist) versuchen sie, Sexualität an den heiligen Bund der Ehe zu binden. Paradoxerweise unterstützt ihr Verbot von vor- und außerehelichen sexuellen Kontakten eine neue öffentliche Artikuliertheit in Fragen der Sexualität (Bochow 2007, 2008).

In Nordbenin kommt es bei Angehörigen der Ethnie der Lokpa hingegen zu einem Wandel des Heiratsgeschehens selbst. Jungen und in neuester Zeit auch Mädchen migrieren vor der Heirat in die Städte. Junge Mädchen verdingen sich dabei als Dienstmädchen, um dann bei der Rückkehr eine möglichst imposante Mitgift anschaffen zu können. Dabei ist sowohl die Größe der Mitgift gestiegen als auch die Zuständigkeiten für die Heiratszahlungen: Während vor noch weniger als zehn Jahren Eltern für diese Aufwendungen aufgekommen sind, sorgen jetzt die Jugendlichen selbst für Heiratszahlungen sowie Hausstand. Die neue Migration von Mädchen lässt sich als ein Hinweis auf Veränderungen weiblicher Jugend verstehen.

Die Forschungen in Ghana wie in Benin sind abgeschlossen. Es liegt neben den unten genannten Publikationen eine Dissertation mit dem Titel „Intimität und Sexualität vor der Ehe. Werbung (courtship) und Wandel in Endwa und Kumasi, Ghana“ vor. Die Publikation der Dissertation ist in Arbeit. Adam Sounon und Moussa Lafia haben im Rahmen des Forschungsprojekts ihre Masterarbeiten für DEA-Studiengänge an der Universität Abomey-Calavi in Benin angefertigt.

Publikationen zum Projekt:

  • Erdmute Alber, Sjaak van der Geest, Susan R. Whyte: Generations in Africa. Connections and conflicts. Hamburg: LIT, 2008
  • Erdmute Alber und Jeannett Martin: Familienwandel in Africa. Africa spektrum 42/4, 2007
  • Erdmute Alber und Astrid Bochow: Familienwandel in Afrika – Ein Forschungsüberblick. Paideuma 52: 227-250, 2006
  • Erdmute Alber: Ethnologische Perspektiven zum Kinderhandel in Benin. In: Kurt Beck et al. (Hg.) Arbeit – Konsum – Globalisierung. Festschrift für Gerd Spittler zum 65. Geburtstag. Rüdiger Köppe Verlag, Köln: 145-158, 2004
  • Astrid Bochow: Valentine day in Ghana: Youth, sex and fear between the generations. In: Alber, Erdmute et al. (Hg.) Generations in Africa. Connections and conflicts. Hamburg: LIT: 418-429, 2008
  • Astrid Bochow: Syncretism and antisyncretism in marriage patterns in Kumasi: The role of Pentecostal Charismatic Churches. In: Adogame, Afe et al. (Hg.). Unpacking the new: critical perspectives on cultural syncretization in Africa and beyond. Hamburg: LIT, 2008
  • Astrid Bochow: Valentinstag in Kumasi, Ghana. Sexualität und Generationenbeziehungen im Wandel. In: Familienwandel in Afrika. E. Alber and J. Martin (Hg.), pp. 57-78. africa spektrum 42/4, 2007
  • Erdmute Alber: Familie und Gesellschaft. In: Rolf Hofmeier, Andreas Mehler: Kleines Afrika-Lexikon. Beck Verlag München, 2004
  • Astrid Bochow: Building bridges between Africa and the rest - Interview with Emmanuel Akyeampong. NAB - newsletter of African Studies at Bayreuth University 5, 1:4-10, 2006
  • Erdmute Alber, Wim van Binsbergen & Rijk van Dijk (Hg.).Situating globality. African agency in the appropriation of global culture. Leiden 2002. Paideuma 52: 267-270, 2006
  • Astrid Bochow, Filip de Boek und Alcinda Honwana: 2005 Makers and Breakers. Children and youth in postcolonial Africa. Sociologus 56, 2:263-266

Verantwortlich für die Redaktion: Nadja Bscherer

Facebook Twitter Youtube-Kanal Instagram LinkedIn Blog UBT-A